Fanny

die tanzende Venus vom Galgenberg

Im August des Jahres 1985 wurden am Stratzinger Galgenberg die Erdarbeiten für einen neuen Hochbehälter durchgeführt. Dabei stieß man auf dunkle Bänder im hellen Löß, in denen eine Feuerstelle und von Menschenhand zugerichtete FEUER-STEINKNOLLEN  gefunden  wurden, die auf eine altsteinzeitliche Kultur hindeuteten. Bei einer daraufhin bis Ende Oktober durchgeführten Rettungsgrabung erwies sich die Fundstelle als Rastplatz von Jägern und Sammlern. Der Heimatforscher EMIL WEINFURTHER hatte bereits im Jahre 1941 nahe dieses Ortes in einem Hohlweg einige Steinwerkzeuge entdeckt. Aufgrund dieser zahlreichen Funde wurden seit 1986 alljährlich gezielt vor baulichen oder landwirtschaftlichen Veränderungen Denkmalschutzgrabungen des Bundesdenkmalamtes unter der Leitung von Frau Dr. Christine Neugebauer-Maresch durchgeführt, dabei wurden zahlreiche archäologisch wertvolle Fundstücke entdeckt. Kurz vor Abschluss der 4. Grabungskampagne am 23. September 1988 wurden noch einige Routinearbeiten durchgeführt, unter anderem auch letzte Abtragungen an der Basis einer altsteinzeitlichen Kulturschichte. Dabei erregte ein kleines Amphibolitschieferbruchstück mit Schnitzspuren großes Aufsehen. Es wurde als Fragment eines 30000 Jahre alten Kleinkunstwerkes identifiziert.

"Was stellt es dar? Gibt es weitere Teile?" Das waren brennende Fragen. Dieser sensationelle Fund veranlasste die Forscher, die nähere Umgebung des Auffindungsortes noch  genauer zu untersuchen. Am Vormittag des nächsten Tages lagen dann 4 Bruchstücke vor, die zusammengefügt eine 7,2cm hohe Frauenplastik ergaben. Diese am Stratzinger Galgenberg gefundene Frauenstatuette wurde wegen ihrer bewegten, tänzerischen Haltung spontan "FANNY" getauft - nach der berühmten Wiener Tänzerin Fanny Elßler.
Aufgrund zahlreicher Begleitfunde konnten über die Lebensweise der damaligen Menschen neue Informationen gewonnen werden. Knochen von Pferden, Mammuten und Wollnashörnern sowie Geweihreste von Rentieren ließen auf die Jagdbeute der Steinzeitmenschen schließen.
Holzkohlenproben machten eine genaue Bestimmung der Funde mit Radiokohlenstoff-Datierung möglich. Diese Methode ergab ein Alter von rund 32 000 Jahren für die Statuette. Damit ist sie derzeit die älteste Frauenplastik der Welt.
Der Mensch dieser Zeit unterschied sich vom Jetztmenschen nicht mehr wesentlich. Er verwendete u. a. Messer und Bohrer, jedoch waren alle seine Geräte aus Stein, Knochen oder Holz. Wie die tanzende Venus beweist, war er auch zur Kunstäußerung fähig. Zu den 4 Grundbausteinen der Figur gesellten  sich 3 weitere Teile hinzu, und der rechte Arm konnte noch angefügt werden.
Das Material der Statuette ist ein stark grünlich glänzender Schiefer. Die gefundenen Schnitzabfälle beweisen, dass dieses Kleinkunstwerk an Ort und Stelle gefertigt wurde. Die Darstellung zeigt, wie bereits erwähnt,  eine sich bewegende weibliche  Person. Der Oberkörper ist von den Hüften aufwärts leicht  nach links gedreht, das Gesicht ist zum erhobenen linken Arm gerichtet.
Im Gegensatz zu jüngeren Venusstatuetten wie etwa der Venus von Willendorf, die als massive, fettleibige und passive Gestalt wiedergegeben ist, stellt die Venus vom Galgenberg eine sich bewegende Frau ohne Überbetonung bestimmter Körperpartien dar. Der Blick nach oben könnte eine Hinwendung zu einer jenseitigen Vorstellungswelt andeuten, und die Haltung, die an eine Bewegung wie im Tanz erinnert, lässt vermuten, eine Schamanin in ihrer Mittlerrolle zwischen Diesseitigem und Jenseitigem vor sich zu haben.
Die VENUS VOM GALGENBERG kann also dem kultisch-religiösen Bereich zugeordnet werden und ist durch ihre aktive Lebensäußerung und den Blick nach oben nicht nur eine archäologische Sensation, sondern gibt auch eine wertvolle Bereicherung unseres Wissens über das Leben der Eiszeitjäger vor 30 000 Jahren in unserem Gebiet.

Christian Graf, überarbeitet von Frau Dr. Christine Neugebauer-Maresch

DIE NEUESTEN ERGEBNISSE DER LETZTEN GRABUNGEN

Seit dem Jahre 1996 finden die Grabungen alljährlich an einer Parzelle statt, die direkt nördlich an jene der Fundstelle der Statuette angrenzt. Die wissenschaftliche Bedeutung erlangt diese Position aber durch das ungestörte Vorhandensein zweier weiterer Kulturschichten, von denen eine etwas älter, die andere geringfügig jünger als der Siedlungsaufenthalt der "Fanny-Hersteller" ist. Vergleichsweise wesentlich gröbere Werkzeuge der obersten Schichte, die um zwei Feuerstellen lagen, sowie zahlreiche Rötelreste zeugen davon, daß in dieser Zone Felle abgeschabt und  mittels dieses Mineralstoffes präpariert wurden.

Aus der untersten Schichte stammen bisher hingegen fast keine Artefakte, dennoch sind fallweise Tierknochenreste und vor allem verbrannte Hölzer zu belegen. Die wissenschaftliche Sensation gelang 1996, als ein rund 1,3 m langer und gleichmäßig ca. 2 cm im Durchmesser erhaltener Hohlraum in immerhin 2,5 m Tiefe freigelegt und mit Gips ausgegossen werden konnte. Der Abdruck zeigt, dass es sich höchstwahrscheinlich um ein bearbeitetes Holz handelte, wofür es aus diesem Zeitraum noch keine Parallelen gibt.

Rege Diskussionen in Wissenschaftskreisen auf  internationaler Basis sollten auch hierüber noch Klarheit verschaffen.
Die Grabungen, aber auch der "Eiszeit-Wanderweg" von Stratzing sind bei einschlägigen Exkursionen z. B. von Universitätsinstituten des In- und Auslandes ein Fixpunkt im Programm geworden.

Dr. Christine Neugebauer-Maresch


Haben Sie noch Fragen zur FANNY oder zu den Ausgrabungen am Galgenberg so schreiben Sie an
Frau Dr. Christine Neugebauer-Maresch Christine.Neugebauer-Maresch@univie.ac.at

Weiter Links zum Thema "FANNY"

Auf den Spuren der Fanny in Stratzing  http://www.stratzing.at/content/0/080/Eiszeitwanderweg+Fanny.html

http://www.bradshaw-foundation.com/prehist/galgenbe.htm

http://www.landesmuseum.net/infocenter/programm/sonderausstellungen/08/fanny-vom-galgenberg-im-no-landesmuseum

http://www.hominids.com/donsmaps/galgenbergvenus.html

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